Die Zwangsstörung
Zwangsstörungen
sind psychische Störungen. Es besteht für den
Betroffenen ein innerer Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun.
Der Betroffene wehrt sich gegen das Auftreten der Zwänge und
erlebt diese als übertrieben und sinnlos. Die Störung
bringt deutliche Belastungen und Beeinträchtigungen des
Alltagslebens mit sich. Ältere Bezeichnungen für
Zwangsstörungen sind Zwangserkrankung, Zwangsneurose und
anankastische Neurose. Zwangsstörungen sind von der
zwanghaften Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden.
Symptome
Die für die diagnostische Klassifizierung nach der ICD-10
maßgebliche Haupt-Symptomatik der Zwangsstörung
besteht in Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen. Bei mehr als 90 %
der Betroffenen finden sich beide Symptome.
Zwangsgedanken
„Zwangsgedanken sind zwanghaft sich immer wieder
aufdrängende, jedoch als unsinnig erkannte
Denkinhalte.“ (Deister, 2001, S. 127f)
Zwangsgedanken werden
unterschieden in:
* Zwangsideen/Zwangsbefürchtungen/Zwangsvorstellungen (Zum
Beispiel Zweifel, eine Arbeit nicht richtig gemacht zu haben, oder
Ängste, dass dem Ehepartner etwas Schlimmes zustoßen
könnte)
* Zwangsimpulse (Impulse, bestimmte Handlungen auszuführen;
diese können schädigende Handlungen gegen sich oder
andere beinhalten.)
* Grübelzwang (Bestimmte Gedanken müssen wieder und
wieder durchdacht werden. Es ist nicht möglich, dabei zu einer
Entscheidung oder zu einer Lösung zu kommen.)
Bei Zwangsgedanken geht es also meist um angstvolle Gedanken und
Überzeugungen, jemandem zu schaden (entweder durch aggressive
Handlungen oder durch magische Handlungen), in eine peinliche Situation
zu geraten oder ein Unheil anzurichten. Es können
Gedankengänge nicht befriedigend abgeschlossen werden, sodass
sie sich ständig wiederaufdrängen und wiederholt
werden müssen, ohne zu einem realen Ergebnis zu gelangen.
In einer Untersuchung wurden die Themen der Zwangsgedanken von
Betroffenen erfragt (Akhtar et al., 1975).
1. Schmutz oder Verseuchung (Menschliche o.a. Exkremente, Schmutz,
Staub, Samen, Menstruationsblut, Keime, Infektionen)
2. Gewalt und Aggression (Körperlicher oder verbaler Angriff
auf sich selbst oder andere Personen; Unfälle, Missgeschick,
Krieg, Katastrophen, Tod)
3. Ordnung (Ordentlichkeit, Symmetriebestrebungen in der Ausrichtung
von Gegenständen usw.)
4. Religion (Existenz Gottes, religiöse Praktiken und Rituale,
Glaubenssätze, moralische Einstellungen)/Magie
5. Sexualität (Sexuelle Handlungen an sich oder anderen,
inzestuöse Impulse, sexuelle Leistungsfähigkeit)
Zwanghafte Gedanken können sich zum Beispiel (im Fall
aggressiver Zwangsgedanken) darin äußern, dass eine
Mutter befürchtet, Mann und Kinder vergiften zu wollen, oder
eine Tochter befürchtet, ihre Mutter die Treppe
herunterzuwerfen.
Zwangshandlungen
„Zwanghaft gegen oder ohne den Willen ausgeführte
Handlungen. Beim Versuch, die Handlungen zu unterlassen, treten massive
innere Anspannung und Angst auf.“ (Deister, 2001, S. 127f)
Zwangshandlungen sind Stereotypien, die ständig wiederholt
werden müssen. Die meisten Betroffenen wissen, dass ihr
Verhalten übertrieben und unvernünftig ist, und
versuchen anfangs, Widerstand zu leisten, geben jedoch auf, wenn sie
die Angst überfällt. Danach fühlen sie sich
für gewöhnlich für eine kurze Zeitspanne
weniger ängstlich. Abgesehen von dieser Spannungsreduktion
empfinden die Betroffenen keine Freude am Ausführen der
Handlung selbst. Manche Menschen bauen die zwanghafte Handlung zu einem
Zwangsritual aus: die Zwangshandlung wird in einer bis ins Einzelne
ausgearbeiteten Art und Weise ausgeführt. Die Betroffenen
müssen das Ritual jedes Mal in exakt derselben Weise, nach
bestimmten, sorgfältig zu beachtenden Regeln durchlaufen. Wenn
es nicht gelingt, die Handlung abzuschließen, entsteht
weitere Angst, und das Ritual muss häufig von Anfang an
wiederholt werden.
Beispiele:
* Reinlichkeitszwang, wie z. B. der Waschzwang
* Kontrollzwang = ständige Überprüfung von
bestimmten Dingen, wie Herdplatten, Türschlössern,
Gashähnen, Aschenbechern, wichtigen Papieren
* Ordnungszwang = Es wird versucht, in der Umgebung immerzu Symmetrie,
Ordnung oder ein Gleichgewicht herzustellen, indem Dinge wie
Bücher oder Nahrungsmittel nach strengen Regeln perfekt
geordnet sind.
* Berührzwang = Zwang, Dinge anzufassen oder gerade nicht
anzufassen
* Zählzwang (Arithmomanie) = alle Dinge, die im Alltag
auftauchen, werden gezählt
* verbale Zwänge = Ausdrücke, Sätze oder
Melodien werden immer wieder wiederholt
Diagnose
Gemäß ICD-10, Code F42, gelten folgende
diagnostische Leitlinien:
1. Die Zwangsgedanken oder zwanghaften Handlungsimpulse müssen
vom Patienten als seine eigenen erkannt werden.
2. Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung
muss der Patient noch Widerstand leisten.
3. Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung dürfen nicht an
sich angenehm sein.
4. Die Zwangssymptome müssen sich in zutiefst unangenehmer
Weise wiederholen.
5. Die Symptomatik muss über mindestens 14 Tage an den meisten
Tagen bestehen.
Zur genaueren Diagnose-Stellung können Fremdratingskalen
verwendet werden, z. B. die Yale-Brown Obsessive-Compulsive Rating
Scale (Y-BOCS) von Goodman et al. (1989).
Differentialdiagnose
* Gelegentliche Panikattacken oder leichte phobische Symptome sind mit
der Diagnose vereinbar. Obwohl bei den Zwangsstörungen auch
Ängste eine Rolle spielen, zählen sie nicht zu den
Angststörungen im engeren Sinne.
* Abgrenzung zur Schizophrenie: Früher wurde von Eugen Bleuler
ein Zusammenhang zwischen Zwang und Schizophrenie postuliert. Mehrere
aktuelle Studien deuten darauf hin, dass es keine solchen direkten
Zusammenhang gibt. Patienten mit Zwängen haben kein
erhöhtes Risiko gegenüber der
Allgmeinbevölkerung an einer Schizophrenie zu erkranken.
Allerdings treten Zwänge auch im Rahmen von Schizophrenien
auf. Bei Patienten, die an einer Schizophrenie leiden, scheint das
Vorliegen von Zwangssymptomen die Prognose hinsichtlich der
Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit zu verschlechtern.
* Abgrenzung zur zwanghaften Persönlichkeitsstörung:
Es besteht kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen einer
symptomatischen Zwangsstörung und einer zwanghaften
Persönlichkeitsstörung. Während die
Zwanghaftigkeit im Rahmen der zwanghaften/anankastischen
Persönlichkeitsstörung vom Betroffenen als
„ich-synton“, also als mit seiner Person vereinbar,
empfunden wird, wird die symptomatische Zwangsstörung vom
Betroffenen als „ich-dyston“, also als ich-fremd
und der Person nicht zugehörig empfunden.
* Zwangssymptome bei einer Ticstörung beim
Gilles-de-la-Tourette-Syndrom und bei organischen psychischen
Störungen werden nicht als Zwangsstörung
diagnostiziert, sondern als Teil der entsprechenden
Störungsbilder betrachtet.
* Des Weiteren sind Stereotypien bei Autismus und Asperger-Syndrom zu
unterscheiden.
* Reine Zwangsgedanken können auch in Zusammenhang mit
postpartalen Depressionen und/oder postpartalen Psychosen auftreten. In
der Regel fürchtet die Mutter, sie könne das
Neugeborene schädigen.
Komorbiditäten
Wie auch bei anderen Angststörungen ist bei der
Zwangsstörung zu beobachten, dass sie häufig
gemeinsam mit anderen affektiven Störungen und
Angststörungen auftritt. Die Zwangsstörung tritt am
häufigsten in Kombination mit Depression,
Panikstörung und sozialer Phobie auf. Rund 80 Prozent der
Betroffenen weisen depressive Symptome auf, die aber nicht immer die
Diagnose "Depressionen" rechtfertigen. Ein gutes Drittel leidet
mindestens einmal im Leben an einer Depression. Die unter den
Erkrankten am häufigsten auftretenden
Persönlichkeitsstörungen sind die abhängige
und die selbstunsicher-vermeidende. Bei 12 Prozent der Kranken tritt
die körperdysmorphe Störung auf.
Quelle:
www.Wikipedia.de